Verständliche Fachtexte für Laien schreiben:
der einfache Hauptsatz ist oft keine Lösung
Am Anfang der Kommunikation zwischen Experten und Laien steht ein starkes Wissensgefälle. Doch nicht nur das: was im fachlichen Rahmen im Dialog zwischen Experten für eine gelingende Kommunikation sorgt, kann im Fachtext für Laien zur Barriere werden. Müssen Informationen über Fachgrenzen hinaus an Anwender, Patienten oder die Gesellschaft allgemein vermittelt werden, ist beim Schreiben eine Art Übersetzungs- oder Vermittlungsprozess nötig. Worin besteht dieser Prozess?
Wenn es um verständliches Schreiben geht, findet man bei Schreibberatern, in Journalistenfibeln etc. am häufigsten Ratschläge zur Satzlänge, Wortlänge, zu Nominalstil und Passivkonstruktionen. Der ideale Satz sei der kurze Hauptsatz, Wörter mit mehr als drei Silben seien Verständlichkeitskiller, Nominalisierungen und Passivsätze ebenso. Nun liegt auf der Hand, dass eine Aneinanderreihung kurzer Sätze aus jeweils wenigen kurzen Wörtern keinen verständlichen Text ergeben muss. Und beherzigte man den Ratschlag abgeleitete Hauptwörter möglichst konsequent zu tilgen, fiele auch die Schönheit der Maßnahme zum Opfer.
Die eigentliche Arbeit der Popularisierung
Zwischen Erfahrungswelten vermitteln
Um Nicht-Experten an ein komplexes Themengebiet heranzuführen, sollten wir als Autoren ohnehin zunächste einige andere Ratschläge beherzigen.
Texter sollten einige Strategien anwenden, die der konkreten Textproduktion vorgelagert sind.
Die Vorbereitung: Thema durchdringen, Themenbereiche auswählen
Als erstes müssen wir sicherstellen, dass unser eigenes Verständnis ausreicht, um die Sachverhalte anderen vermitteln zu können. Dann müssen wir entscheiden, welche Bereiche des Themengebiets wir behandeln und wie sehr wir dabei in die Tiefe gehen möchten. Die hohe Informationsdichte aus Fachtexten müssen wir im populärwissenschaftlichen Text auflösen. Wir müssen Dinge erläutern, Fachwörter erklären, geeignete Beispiele finden und manches später im Text wieder aufnehmen.
Arbeit am Text – Arbeit am Thema
Anschaulichkeit, Lebendigkeit, Linearisierung
Besonders wichtig aber ist die Einbettung der Informationen in den Erfahrungshorizont unseres Lesers. Um die wissenschaftliche Denkweise in die des Alltags zu übersetzen, kann man verschiedene Mittel der Linearisierung einsetzen: zum Beispiel führt man einen Zeitfaktor in den Text ein. Und weiter: Welche Bereiche bedürfen der Veranschaulichung? Wo soll dies über Abbildungen geschehen, wo können Gleichnisse, Analogien oder Gedankenexperimente das leisten? Haben wir die Sache so weit durchdrungen, dürfen wir hoffen, dass Worte folgen werden.
Je mehr Anknüpfungspunkte mit ihrem Vorwissen und Alltagswissen unsere Leser finden, desto leichter wird es ihnen fallen, die neuen Informationen zu verarbeiten und im Gedächtnis zu behalten.
Verschiedene Lesertypen
Menschen sind verschieden. Das betrifft auch ihre Art, sich neues Wissen zu erschließen. Die meiste Zeit nutzen wir alle alle unsere Sinne, um uns in der Welt zurecht zu finden. Allerdings gibt es von Mensch zu Mensch Unterschiede, wie wichtig Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen im Verhältniss zueinander sind und welche Vorlieben der Einzelne hat.
Visuell, auditiv oder kinästhetisch
Manchen ist es vor allem wichtig, sich ein Bild zu machen, Dinge anzuschauen. Für diesen visuellen Wahrnehmungstyp unter unseren Lesern ist der Sehsinn also besonders wichtig. Für andere ist das Gehör der bevorzugte Sinneskanal.
Seh- und Hörsinn sind unsere Fernsinne. Für die dritte Gruppe nun nehmen die Nahsinne, also der Tastsinn (Haptiker) aber auch Geschmack und Geruch eine herausragende Rolle ein.
Was bedeutet das für uns, wenn wir Fachtexte für Laien schreiben?
Ein Text ist ein Text. Und die allermeisten Leser werden ihn lesen, also visuell aufnehmen. Manche könnten sich den Text vorlesen lassen. Oder in sich Braille-Schrift ertasten. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.
Vielmehr geht es darum, den unterschiedlichen Wahrnehmungstypen ein bisschen zu helfen. Unser Text sollte die Anknüpfungspunkte bieten, die ihnen das Verständnis erleichtern.
Für den visuellen Typ sind Bilder und Diagramme oft besonders hilfreich. Auch eine bildhafte Sprache und die Verwendung entsprechender Verben sprechen diese Leser an.
Dem auditiven Typ können wir in Webtexten ergänzend die entsprechenden Medien bieten. Sprachlich können wir ihm die Sache erleichtern, indem wir sinnesbezogene Verben, aber auch auf dem Wortklang basierende Stilfiguren verwenden.
Für den kinästhetischen Typ gilt: möglichst konkret, möglichst praxisbezogen. Diesen Lesern helfen Verben, die sich auf Fühlen und Machen beziehen. Ein möglichst starker Bezug zur Praxis, konkrete Beispiele und Aufgaben sind weitere Mittel der Wahl.
Klarheit geht vor Genauigkeit
Klare Gliederung und Textstruktur helfen dem Leser
Den größten Einfluss auf seine Verständlichkeit hat die inhaltliche Struktur eines Textes. Das gild in besonderem Maße für Fachtexte für Laien. Es lohnt sich also, in diesem Bereich besonders sorgfältig vorzugehen.
Untersuchungen zufolge bewerten Leser sprachlich sehr einfach gehaltene Texte über komplexe Zusammenhänge gerade nicht als besonders verständlich. Es ist besser, einen der Komplexität des Gegenstands angemessenen Satzbau zu wählen. Kein Grund also auf Nebensätze zu verzichten.
siehe auch Beitrag: Ich bin klein