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Multimediaguides, Audioguides und Hörbeschreibungen

Museumsbesucherin mit Smartphone und Kopfhörer

Multimediaführer zwischen Inklusion, Kunstvermittlung und Spektakel

Immer häufiger entscheiden sich Museen und Veranstalter für eine Ergänzung ihres Kulturangebots mit Multimediaguides und Audioguides: Weitaus seltener eingebunden sind leider Audiodescriptions bzw. Hörbeschreibungen für Blinde und sehbeeinträchtigte Menschen, die die Ausstellungsinhalte in diesem Sinne erschließen. Dem offensichtlichen Nutzen steht der beträchtliche Aufwand gegenüber, der mit der Erstellung solcher Inhalte verbunden ist. Es lohnt sich ein näherer Blick.

Besucher im Museum nutzt einen Audioguide auf seinem Smartphone
Besucher im Museum nutzt einen Audioguide auf seinem Smartphone

Multimediaguides und Hörbeschreibungen: Was ist gemeint und worin liegen die Unterschiede?

Reine Audioguides waren zunächst eine Alternative bzw. Ergänzung zu klassischen Ausstellungsführungen. Sie bieten den Vorteil, dass alle Nutzer einen einheitlichen und von Terminen unabhängigen Zugriff auf Informationen zu den Exponaten einer Ausstellung erhalten. Im besten Falle lassen sich die Abschnitte einzelner Stationen individuell und selbstbestimmt an- oder abwählen. Ganz so, wie ich mich als Besucher entscheiden kann, bei einem Bild zu verweilen oder einfach weiterzugehen.

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte

Noch vor einigen Jahren waren nahezu alle Systeme, die für Audioguides eingesetzt werden konnten, mit Investitionen in die den Nutzern zur Verfügung gestellten Abspielgeräte und Kopfhörer verbunden. Geeignete Geräte zur Nutzung von Multimedia-Inhalten bringen heutige Besucher inzwischen aber meist in Form ihrer privaten Smartphones mit. Die technischen Herausforderungen liegen inzwischen also eher in der Entwicklung eines plattformübergreifenden Systems, das Besuchern einen niederschwelligen Zugang zu den Inhalten bietet. Undzwar unabhängig davon, ob sie ein Android-Phone, IPhone etc. in der Tasche haben. Während der Einschränkungen wegen Covid-19 legte der Einsatz ergänzender Formate noch einmal erheblich zu. Konnte man schon nicht öffnen, so war doch dank der Multimedia-Präsentationen eine Art virtuelle Aufrechterhaltung des Betriebs zumindest teilweise möglich.

Jede Menge Fragen

Braucht jedes Museum eine eigene App? Oder sogar jede Ausstellung? Rechtfertigt die reale Nachfrage hohe Kosten? Welche Alternativen gibt es?

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen – so der einstimmige Tenor in der Szene, dass hohe Entwicklungskosten für die eigene Museums- oder Ausstellungsapp viel zu häufig eher enttäuschenden Downloadzahlen und noch niedrigerer Nutzungsintensität gegenüberstehen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, aber auch sämtlichst eher praktischer Natur. Mit knappem Datenvolumen der Nutzer, niedrigen Bandbreiten, fehlendem WLAN-Zugang im Museum, knappem Speicherplatz und Kompatibilitätsproblemen seien hier nur einige davon genannt.

Einige der oben genannten Klippen lassen sich einfach umschiffen. Die Einbindung der Multimediaguides und Hörbeschreibungen in eine App ist nicht nötig. Schließlich erlauben praktisch alle Smartphones die Anzeige von responsiven Inhalten im Browser. Ausstellungsspezifische Navigationsräume lassen sich über Landingpages, Mikrosites und Subdomains herstellen. Spezifische Audiodateien in einer Soundcloud bereitstellen. Einsprungspunkte zu Einzelexponaten sind möglich. Ob ich als Besucher der ganzen Führung folgen, oder nur Informationen zu einem ganz bestimmten Werk oder Künstler abrufen möchte, bliebe so mir überlassen. Der Rahmen kann so auf Seiten der Entwicklung aber auch auf der der Nutzung flexibler und offener bleiben, als im Falle einer App.

Gibt es eine Möglichkeit Multimediaguides und Hörbeschreibungen so zu verbinden, dass ein ansprechendes Ganzes entsteht, von dem Blinde tatsächlich profitieren?

Die enttäuschende Wahrheit ist, dass eine an den Bedürfnissen der Blinden und Sehbehinderten orientierte Aufbereitung und Einbindung der Inhalte die absolute Ausnahme ist. Der allzeit und allerorten propagierte Inklusionswillen stößt hier an offensichtliche Grenzen.

Prioritäten: gute Inhalte, leichte Zugänglichkeit

Ist die blindengerechte Integration von Hörbeschreibungen in Multimediaguides nicht möglich?

Selbst bei hochrangigen Angeboten zeigen Autoren die Tendenz – zur Vermeidung von Redundanz – der Einordnung Vorrang zu geben und Beschreibungen der visuellen Inhalte eher spärlich und nur dann einfließen zu lassen, sofern sie als Untermauerung von Bildinterpretationen taugen. Und es gibt Vorgaben, nach denen ein Audioguide-Take auf keinen Fall mehr als 90 Sekunden dauern sollte.

Was aber wenn man neben Kunstvermittlung in Hörführern oder Multimedia-Führern, das Format tatsächlich nutzen möchte, um Exponate Blinden und Sehbehinderten bedürfnisgerecht zu erschließen? In diesem Fall ist es nicht sinnvoll, die Bedürfnisse dieser Zielgruppe den Gewohnheiten der sehenden Besucher unterzuordnen. Denn die Bedürfnisse sind grundlegend anders. Vor der kunsthistorischen Einordnung muss in der Hörbeschreibung für diese Zielgruppe eben tatsächlich beschrieben werden. Und das braucht Zeit. Das gilt umso mehr, wenn man den Nicht-Sehenden ein angenehmes und dem visuellen Kunstgenuss nachempfundenes Hörerlebnis bereiten möchte. Schließlich bekommen auch die Sehenden Zeit, sich ein Bild in Ruhe anzusehen. Hörbeschreibungen für die Zielgruppe sehbehinderter oder blinder Besucherinnen und Besucher werden also in der Regel länger sein (müssen).

Es sind die inhaltlichen und formalen Anforderungen von ergänzender Kunstvermittlung für Sehende und Hörbeschreibungen für Blinde, die sich unterscheiden. Im ersteren Falle handelt es sich eher um ein nettes Extra, im zweiten Falle um etwas, das den Zugang manchen überhaupt erst ermöglicht. Es ist unverständlich, warum in so vielen Museen der Schwerpunkt der Audio- und Multimediaguides beim netten Extra für alle liegt und die tatsächlich inklusive Praxis für Blinde und Sehbehinderte nachgeordnetes Ziel zu bleiben scheint.

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